Ob Fernseher, Waschmaschine oder Backofen: Dem Ziel, dass sich smarte Geräte im vernetzten Haus markenübergreifend über nur eine App steuern lassen, ist die Branche mit der Home Connectivity Alliance (HCA) einen großen Schritt nähergekommen. Immerhin spielen Global Player wie Beko, Electrolux, Haier (inklusive GE) und Samsung bei der jüngst in Las Vegas verkündeten Kooperation mit. Kurz zuvor hatten auch BSH und Samsung eine Allianz beschlossen. Wird damit der Weg frei für eine echte globale Connection?
Lange wird schon an offenen Standards bzw. Schnittstellen fürs Smart Home gearbeitet, auch diverse Allianzen und Partnerschaften wurden gegründet, um Küchengeräte ebenso wie Heiz-, Licht- oder Sicherheitstechnik in die zentrale Steuerung einzubinden. Doch eine direkte Connectivity der Geräte in einem gemeinsamen Ökosystem – ohne Hub oder andere
Extras – blieb bisher die große Herausforderung. Deshalb klingt die Nachricht von der Gründung der Home Connectivity Alliance (HCA), im Januar auf der Tech-Messe CES in Las Vegas erstmals verkündet, wie ein Durchbruch. Zumindest ist die Kooperation ein Meilenstein, der Zukunftspotenziale jenseits bisheriger Barrieren verspricht.
Denn mussten Anwender:innen bislang auf einzelne Apps oder Plattformen dritter Dienstleister zurückgreifen, um Geräte unterschiedlicher Marken zu steuern, soll die Nutzung künftig einfacher werden, indem jede App den Zugriff auf die Geräte der Konkurrenz bzw. nun angeschlossenen Partner erlaubt – die Technik also interoperabel wird. Im Klartext würde dies zum Beispiel bedeuten: Am Samsung-TV oder SmartHub-Kühlschrank kann die Laufzeit der Beko-Waschmaschine ebenso wie der Geschirrspüler von Electrolux/AEG kontrolliert werden.
Verankert sind die Ziele der HCA in Arbeitsgruppen zu den drei Hauptthemen Marketing, Datentechnik und Zertifizierung. Dabei geht es im Wesentlichen um den Austausch technischer Spezifikationen, neue Anwendungsszenarien, die öffentliche Verbreitung des gemeinsamen Logos und den Anschluss weiterer Partner sowie die Entwicklung von Standards zur Zertifizierung in Testlabors. Das Besondere der Allianz ist, dass alle Gründungsmitglieder – von American Standard Heating and Air Conditioning, Arçelik (Beko, Grundig), Electrolux, Haier, GE Appliances (ebenfalls Haier), Samsung Electronics bis zu
Trane Residential – im Bereich Hausgeräte einschließlich Heiz- und Klimatechnik angesiedelt sind. Dies ermöglicht ein konzentriertes Bearbeiten der Brancheninteressen. Der Schwerpunkt soll vor allem auf der Datensicherheit liegen, denn in diesem Punkt besteht bekanntlich die größte Skepsis bei den meisten Verbraucher:innen. Zugleich liegt es auf der Hand, dass
alle Beteiligten die Akzeptanz der Connectivity als Innovations-und Lifestyle-Thema insgesamt vorantreiben wollen.
Die Frage aus deutscher Sicht ist, ob sich auch hierzulande führende Marken wie Bosch, Siemens, Miele und andere der Allianz anschließen werden. Und natürlich, was aus den Absichtserklärungen tatsächlich wird.
Bislang hat sich die BSH noch nicht entschieden, der HCA beizutreten, hält sich dies aber für die Zukunft offen, so heißt es auf Nachfrage. Denn grundsätzlich sieht der Konzern ganz im Sinne seiner Vernetzungsstrategie Ökosysteme als essenziell an, weil sie eine breitere Auswahl an IoT-Plattformen und damit mehr Freiheit in ihrer Nutzung ermöglicht. Immerhin zeigte das Unternehmen selbst mit der im Herbst verkündeten Partnerschaft zwischen Bosch (HomeConnect) und Samsung (Smart Things) entsprechende Ambitionen, wonach die Marken zu einem großen Teil die Gerätefunktionen vice versa steuern können – vom Kaffeeautomaten über Waschmaschine und Trockner bis zu Herd, Geschirrspüler und Dunstabzug.
Samsung seinerseits hatte zur CES 2022 auch die Einbindung der SmartThings Hub-Funktion in Smart TVs, Monitoren und Kühlschränken der eigenen Marke angekündigt, um die nahtlose Konnektivität zu gewährleisten. „Mit der Integration der SmartThings Hub-Technologie in ausgewählte Samsung-Produkte werden separate Smart Hubs als zusätzliche Geräte überflüssig. Die smarten Geräte fungieren dann selbst als Hub im Smart Home. Je mehr Geräte diese Fähigkeit besitzen, desto niedrigschwelliger können sich Menschen das vernetzte Zuhause ihrer Träume schaffen“, betont dazu Dr. Thorste Böker Director Business Development bei Samsung Electronics.
Ebenso wie die BSH verhält sich jedoch auch Miele mit Blick auf die HCA-Initiative zurückhaltend. Zur Begründung gibt Peter Hübinger, Senior Vice President Smart Home, an: „Grundsätzlich ist die weitere Etablierung von Standards wünschenswert, um noch mehr Menschen für das Smart Home zu begeistern. Wir beobachten daher sehr genau den Markt, die Entwicklungen und das Kundenverhalten. Und wir prüfen, welche Kooperationen und Integrationen in Ökosysteme zukünftig sinnvoll sein können und unseren Kundinnen und Kunden einen Mehrwert bieten. Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung der HCAPlattform sicher interessant, eine Miele-Beteiligung kommt derzeit aber nicht in Betracht.“
Miele-Hausgeräte sind mittlerweile in Plattformen von Telekom Magenta, Busch-Jaeger, Olisto, Amazon Alexa und bald auch bei Google Assistant integrierbar. Gerade erst wurde auch die Kooperation mit Loxone für smartes Solarstrom-Management beim Gebrauch von Waschmaschinen und Geschirrspüler bekanntgegeben. Die Vorstellung von „einer App für alles“ ist für Peter Hübinger allerdings auf absehbare Zeit unrealistisch, „weil es weiterhin proprietäre Anwendungen geben wird.“ Denn ähnlich wie bei Miele eigene Kochassistenz- oder „AutoDos“-Systeme Alleinstellungsmerkmale darstellen, werden sich auch andere Marken weiterhin durch exklusive Features von Mitbewerbern abheben wollen – die somit wohl auch nur über die markenspezifischen Clouds und Apps nutzbar bleiben. Dies im Gegensatz zu On-/Off-Funktionen oder Statusabfragen, die sich leicht in Ökosysteme integrieren lassen.
Hoffnung auf Matter
Einen weiteren Schub für die geräte- und herstellerübergreifende Vernetzung versprechen sich aktuell viele Unternehmen von der Matter-Initiative, für die sich auch Miele und Samsung engagieren. 2019 von Amazon, Apple, Comcast, Google, SmartThings und der ehemaligen Zigbee Allianz gegründet, steht hier eine globale Marktmacht zusammen, um den Interoperabilitätsstandard durchzusetzen. Die Connectivity Standards Alliance (CSA) als Dachorganisation ist zugleich für die einheitliche Zertifizierung von Produkten nach Tests in autorisierten Prüfinstituten zuständig. Für Endkonsumenten soll damit vieles einfacher werden. Denn zum Einrichten von Matter-Geräten ist theoretisch keine App des Herstellers mehr notwendig. Diese Aufgabe können in Zukunft die Programme von Amazon, Apple, Google oder einem anderen Matter-Unterstützer übernehmen. Außerdem basiert die Kommunikation zwischen den Geräten auf dem Internet-Protokoll (IP) – im heimischen Netzwerk (über Ethernet/LAN, WLAN und Thread) genauso wie bei Cloud-Verbindungen.
Mit den ersten Matter-zertifizierten Geräten wird bereits Mitte 2022 gerechnet (vorausgesetzt, die Lieferketten besonders bei Halbleitern lassen dies zu). Dabei profitieren Entwickler von der einheitlichen Schnittstelle, indem sie nicht jedes Produkt neu anpassen müssen. Da die Spezifikationen offen liegen und keine Lizenzgebühren auf verkaufte Geräte anfallen (nur die Zertifizierung an sich kostet Geld), könnte das zu einem Boom an neuen Produkten und Anwendungen führen. So schätzt Frank-Oliver Grün, Geschäftsführer der Stuttgarter Digital-Room GmbH in seiner Matter- Expertise (mehr auf matter smarthome.de). Aber auch die globale Matter-Community verhindert nicht, dass es in Zukunft weiterhin Hersteller-Apps geben wird. Das Ringen um Alleinstellung liegt nun mal in der Natur des Wettbewerbs.
aus: der küchenprofi 1/2022 (Heike Lorenz)